Gott sei Dank gibt’s Ostern

Mich beeindruckt immer wieder der Spannungsbogen, der in der Osterzeit steckt. Wie schnell sich alles ändern kann. Da ist der grosse Jubel an Palmsonntag mit Lob und „Hosianna“. Nur wenige Tage später wird der Gottessohn gekreuzigt. Ganz unerwartet kommt der erste Ostermorgen. Damit hatte niemand gerechnet. Das war alles andere als klar. Auch heute ist nicht immer alles klar. Wenn die erlösende Erfahrung noch nicht gemacht ist. Wo man zwischen Hoffen und Bangen lebt. Leid und Freude erfährt, Abschied ohne Neubeginn.
Dunkle Zeiten werden in unserer Tradition nicht verschwiegen: noch gibt es Tränen in den Augen, noch gibt es Grund, traurig zu sein oder zu klagen. Mit dem grossen Unterschied: seit der ersten Osterzeit ist klar: Karfreitag ist nicht das Ende, nicht das Letzte. Das Osterlicht leuchtet, auch wenn’s dunkle Abschnitte gibt und sich das Licht gerade nicht erkennen lässt. Da ist und bleibt Hoffnung.
Im eigenen Leben ist der Weg zwischen Karfreitag und Ostern manchmal weit. Und doch sind es solche Wegabschnitte, auf denen Ostern konkret werden und Glaube wachsen kann.
Es sind die Erfahrungen, wie es trotz Krisen, Rückschlägen oder Leid weitergegangen ist. Erfahrungen, die das Dunkle oder Schwere weder verschweigen noch ausblenden. Die trotz oder gerade wegen Karfreitag an der Hoffnung festhalten.
Carola Moosbach hat das für mich treffend in Worte gefasst:

Kleine Ostern
Steine
Vom Herzen gerollt
Eis
Aus der Seele getaut
Hunger
In Brot verwandelt
Mauern durchbrochen
Zum Licht

Da wird für mich Ostern im Alltag sichtbar. Da rollen Steine weg wie am ersten Ostermorgen der schwere Stein vom Grab: das ist wie wenn jemand nach einem schweren Schicksalsschlag wieder zu leben beginnt. Oder was für einen Unterschied es macht, wenn das Eis zu tauen beginnt: Wie es sich anfühlt, wenn Schweigen durchbrochen wird. Wenn man endlich wieder miteinander redet, und das der Seele gut tut.
Davon erzählt auch der Evangelist Johannes. An ihm orientieren sich dieses Jahr die Gottesdienste der Osterzeit: wie da Steine wegrollen, wo man es nicht für möglich gehalten hat. Wie sich die Seele endlich wieder entfaltet, wenn das Eis um sie herum taut. Johannes erzählt davon, wie Hunger nach Leben gestillt und das Osterlicht in dunkle Ecken leuchtet.

Unsere Ostererfahrungen – ob gross oder klein – die machen immer wieder den Unterschied. Da geschieht das Wunder von Ostern immer wieder neu:
Steine sind vom Herzen gerollt.
Eis ist aus der Seele getaut.
Hunger wird in Brot verwandelt
Mauern sind durchbrochen zum Licht.
Gott sei Dank.

Eine frohe Osterzeit wünscht Ihnen
Frank Naumann, Pfarrer

Editorial reformiert. / Gemeindeseite Burgdorf April 2019