Eile mit Weile

Wenn das so einfach wäre, diese Gegensätze zusammenzubringen. Nicht nur beim Spielen. Ich erinnere mich gut daran, wie das für mich als Kind eine echte Geduldsprobe war, wenn es auf dem Spielbrett nicht so voranging wie erhofft. Und ein Spielstein kurz vor dem sicheren Ziel wieder zurück an den Anfang musste. «Mensch ärgere dich nicht», wie ein ähnliches Spiel in Deutschland heisst, drückt das gut aus.
Wann haben Sie das letzte Mal gespielt? Wissen Sie noch, wie und wo das war? Vielleicht war es ein kurzes Spiel auf dem Handy an der Bushaltestelle oder ein ganzer Abend im Kreis der Familie oder mit Freunden. Spannend finde ich, wie man mit jeder Minute weiter in das Spiel eintaucht und alles rund herum wie ausgeblendet wird. Uns Erwachsenen gelingt das leider nicht immer so gut. Da können wir von den Kindern lernen. Treffend sagte ein Sohn zu seinem Vater: «Hey, du! Sei bei der Sache, wir spielen!»
«Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» Zum ersten Mal las ich diesen Spruch in der Werbung eines Spielwarengeschäftes. Das kam mir wie ein guter Marketingtrick vor. Damals ahnte ich noch nicht, dass dieser Spruch schon über 200 Jahre alt ist, von Friedrich von Schiller stammt und sich auch die Wissenschaften mit dem Spielen beschäftigen.
Wenn Sie zu denen gehören, die jetzt Ferien geniessen. Oder die in der Schulferienzeit zumindest etwas mehr «Weile» statt «Eile» haben: Nehmen Sie sich Zeit zum Spielen, Altbekannte oder auch Neue. Holen Sie ihre Spiele aus der Versenkung und geniessen Sie das Miteinander im vertrauten Rahmen wie im Familien- oder Bekanntenkreis. Oder gehen Sie auf jemanden zu, z.B. in der Nachbarschaft. Das kann eine Bereicherung werden und man lernt einander dabei besser kennen. Schon der Philosoph Platon machte die Erfahrung: «Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen als im Gespräch in einem Jahr.»
Spielen gehörte schon damals einfach dazu: Ganz egal, zu welcher Bevölkerungsschicht man gehörte, ob jung oder alt, Mann oder Frau. Man kannte Würfel-, Brett- und Geschicklichkeitsspiele, Bälle und anderes mehr. In der Bibel wird sogar die Weisheit mit dem Spielen in Zusammenhang gebracht: Sie sei das allererste Geschöpf Gottes, noch vor allem anderen. Bei der Schöpfung stand die Weisheit dann Gott zur Seite und war seine Freude und spielte vor ihm: «Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Freude an den Menschen.» (Sprüche 8,31)
Der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt – viel Spass dabei!

Pfarrer Frank Naumann
in: Wort der Woche, d’Region, 29, 2003