Mit dem Reformator beim Coiffeur

Beim Coiffeur oder der Coiffeuse – da kommt man leicht ins Gespräch – da redet man übers Wetter oder die letzten Ferien, über Alltägliches und was einen gerade beschäftigt, kurz: über Gott und die Welt!

Auch ein Reformator musste hie und da zum Coiffeur. Da wurde Martin Luther einmal gefragt, wie das mit dem Beten sei!? Um Antwort wohl kaum verlegen, gab es da bei den vertrauten Geräuschen von Schere und Rasiermesser bestimmt ein längeres Gespräch. Denn darüber hinaus entstand später noch ein kleines Büchlein, das der Wittenberger seinem Barbier widmete: „Eine einfache Weise zu beten für einen guten Freund: Lieber Meister Peter, ich geb’s euch, so gut ich’s habe, und zwar so, wie ich mich selber beim Beten verhalte.“

Luther schreibt aus persönlicher Erfahrung und wird ohne Umschweife konkret: „Darum ist’s gut, dass man das Gebet am frühen Morgen das erste und am Abend das letzte Werk sein lässt; man hüte sich dabei fleissig vor falschen, trügerischen Gedanken […] und diese halten und umfangen einen dann, so dass aus dem Gebet an diesem Tage nichts mehr wird.“

Nicht nur zur Reformationszeit fragte ein Coiffeur seinen Kunden, schon im Neuen Testament baten die Jünger: „Herr, lehre uns beten“. Jesu Antwort breitete sich als „Unser Vater“ über die Welt aus. In vielen Sprachen gibt es einen guten Grund zum Beten in guten und in schlechten Zeiten.

Wenn Zeiten unsicher sind oder man merkt, dass der Glaube in der alten Bahn nicht weiterführt – da wird nach Antworten und Sicherheit gesucht. Um den rechten Weg wird gerungen und dabei oft gestritten. Die Evangelien und die Reformationsgeschichte geben zahllose Beispiele.

Am Puls der Zeit war Luther als scharfsinniger Theologe mit ebenso scharfer Zunge bekannt. Gleichzeitig gelang es ihm, den Glauben verständlich zu den Leuten zu bringen. Luther war wichtig, „dem Volk aufs Maul zu schauen“ und dessen Sprache zu sprechen. Denn vieles war damals noch neu, unsicher und unvertraut. Wie Meister Peter suchten viele nach Antworten. Und sie entdeckten, dass man so beten kann – wie einem der Schnabel gewachsen war. Das „Unser Vater“ auf Deutsch gab Sicherheit.

Über Zeiten und Generationen hinweg bieten die vertrauten Worte einen Rahmen für den Tag. Das „Unser Vater“ gibt – unabhängig vom Alter – einen guten Grund, an leichten wie an schweren Tagen. In jedem Fall sind seine Worte ein guter Anfang, sollte der Coiffeur oder wer auch immer uns fragen: „Wie machst denn Du das mit dem Beten!?“

Pfarrer Frank Naumann

in: Wort der Woche, d’Region, KW 36, 2017